Licht- und Schattenseiten einer diversen Stadt

25.10.2025
Elfriede Windischbauer. Foto: AAI Salzburg
Elfriede Windischbauer. Foto: AAI Salzburg

Historischer Stadtspaziergang in Salzburg

Am 29. Juli organisierte die Initiative Decolonizing Salzburg einen historischenStadtspaziergang mit dem Titel "Licht- und Schattenseiten einer diversen Stadt". Anhand verschiedener Themen demonstrierten die Referent*innen Rina Alluri, Christine Bayer-Borrero, Nikolaus Kohlberger, Maia Loh, Marius Müller und Elfriede Windischbauer, wie tief koloniale Strukturen auch in Salzburg verankert waren und bis heute noch wirksam sind. Mit dabei war auch eine "Diversothek" (auch mit unserer Zeitschrift!), die dazu anregte, Persönlichkeiten, Initiativen und Orte, an denen Vielfalt gelebt wird, kennenzulernen.

Menschenausstellungen in Salzburg

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erfuhren, dass Menschenausstellungen kein weit entfernter Aspekt unserer Vergangenheit sind, sondern dass es diese auch in Salzburg gegeben hat. Mindestens 40 Veranstaltungen, bei denen Menschen aus Afrika, Australien, Amerika und Asien an öffentlichen Orten zur Schau gestellt wurden, haben hier zwischen 1810 und 1953 nachweislich stattgefunden. Die Schauplätze dieser Vorführungen waren vielfältig, so die Historikerin Elfriede Windischbauer, sie fanden auf öffentlichen Plätzen, am erzbischöflichen Hof sowie in heute noch bestehenden Restaurants statt.

Als Völkerschauen wurdenverschiedene Formen der kommerziellen Zurschaustellung von Menschen aus außereuropäischen Kolonien in Zoos, Zirkussen, Vergnügungsparks und Kolonialausstellungen bezeichnet, die in Europa, in den USA und in Japan von 1875 bis in die 1930er Jahre durchgeführt wurden. Vereinzelte Veranstaltungen dieser Art hat es sogar noch nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben.

Die Menschen, die in diesen Menschenausstellungen wie exotische Tiere präsentiert wurden, wurden meist unter falschen Versprechungen nach Europa gelockt, wo sie in Eingeborenenkostüme gesteckt und als "exotische Wilde" dem Publikum präsentiert wurden. Dass die ausgestellt werden sollten, um koloniale Fantasien zu bedienen, wussten die meisten von ihnen nicht. Doch nicht alle nahmen die demütigende Behandlung widerstandslos hin: Der Afrikaner Kwelle Ndumbe wehrte sich gegen den Voyeurismus bei einer Völkerschau in Berlin, indem er in Anzug und Krawatte gekleidet die Zuschauer*innen durch ein Opernglas beobachtete.

Oft wurden regelrechte "Eingeborenendörfer" aufgebaut, in denen vor dem Publikum, gekocht, gegessen und getanzt wurde. Und falls die originalen "Darsteller" und "Darstellerinnen" fehlten, wurden die Vorführungen inszeniert, wie bei einem Volksfest in Anif, wo ein als "Indianer" verkleideter Einheimischer mit bloßen Zähnen eine lebendige Taube tot biss. Die rassistischen Motive hinter diesen Darstellungen sind klar zu erkennen und wirken bis heute nach.

Zwiespältige Rolle der Missionierung

Ein weiteres Thema des Stadtspaziergangs war die zwiespältige Rolle der Missionierung in Afrika. Die Gründerin des Missionsordens Maria Sorg, Gräfin Maria Theresia Ledóchowska, ist als engagierte Kämpferin gegen die Sklaverei bekannt und wurde für ihren Einsatz sogar seliggesprochen. Ledóchowska hielt zahlreiche Vorträge, bei denen sie Geld für die Missionen des Ordens in Afrika sammelte. Die von ihr gesammelten Kunstobjekte aus Afrika, die während der NS-Zeit versteckt werden mussten, sind heute im Missionsmuseum Maria Sorg bei Bergheim ausgestellt. Gleichzeitig sollte nicht vergessen werden, dass Missionstätigkeit und Kolonialismus eng miteinander verbunden waren. Die Missionare brachten zwar Bildung und Gesundheitsversorgung mit, die Missionierung diente aber auch dazu, die einheimische Bevölkerung zu bekehren und ihre kulturelle Identität zu unterdrücken. Die Kolonialmächte unterstützten die Mission, da sie diese als Mittel zur Kontrolle der Bevölkerung ansahen, was der Durchsetzung ihrer Interessen dienlich war.

Den Abschluss bildete die Ausstellung "Anstand" am Marco-Feingold-Steg mit den Portraits mutiger Persönlichkeiten, die Menschen vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten retteten – darunter der chinesische Konsul Ho Feng, der Tausenden Juden und Jüdinnen Ausreisedokumente ausstellte –, sowie eine Diskussion über Diversität in Salzburg.

Anhand der geschilderten Beispiele wurde den Teilnehmenden vor Augen geführt, dass Diversität Teil sowohl unserer Vergangenheit als auch unserer Gegenwart ist. Koloniale Machtverhältnisse sind jedoch auch noch heute wirksam. Sie werden sichtbar in der Plünderung der Rohstoffe und der Ausbeutung der Werktätigen in den Ländern des Südens, in ungerechten Handelsbeziehungen sowie in der Biopiraterie – der Aneignung genetischer Ressourcen und indigenen Wissens durch Konzerne ohne faire Entschädigung der ursprünglichen Besitzer*innen.

Das Projekt "Decolonizing Salzburg" wurde im Sommer 2024 vom Afro-Asiatischen Instituts ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die koloniale Vergangenheit und ihre Kontinuitäten in Salzburg zu thematisieren, gewaltvolle Strukturen zu dekonstruieren und die gesellschaftliche Vielfalt zu fördern. Infos und Kontakt: https://aai-salzburg.at/news/decolonizing-salzburg

veröffentlicht in Talktogether Nr. 93/2025

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