Lasset euer Schwert nit kalt werden!

21.08.2007

Im Jahr 1525 eroberte ein Heer aufständischer Bauern zahlreiche Schlösser und Burgen ihrer Ausbeuter im ganzen Land Salzburg, bis sie auch in der Hauptstadt ankamen. Der regierende Erzbischof Matthäus Lang zog sich auf die Festung zurück, die von den Aufständischen belagert wurde. Erst den Truppen des "Schwäbischen Bundes" gelang es, den Bauernkrieg zu ersticken.

Der Aufstand der Bauern

Die Veränderungen der sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung der Bauern, die Beschneidung der Gemeinderechte und vor allem die ständig steigenden Abgaben hatten am Ende des Mittelalters immer wieder Aufstände ausgelöst. Größeren Umfang erhielt die Bewegung im Anschluss an den großen deutschen Bauernkrieg, sie erfasste Tirol, Salzburg, Teile der Steiermark, Niederösterreichs, Oberösterreichs und Kärnten. Als Führer des Salzburger und Tiroler Bauernkrieges trat der Südtiroler Michael Gaismaier als einziger Bauernführer in Österreich, der strategische politische Ziele verfolgte, in Erscheinung. Er wurde 1532 in Padua von bezahlten Mördern erstochen.

Diese Ereignisse standen im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Umwälzungen in ganz Mitteleuropa. Im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert kam es in ganz Deutschland zu gewaltsamen Aufständen der Bauernschaft. In dieser Zeit hatte die deutsche Industrie einen bedeutenden Aufschwung genommen. Handelstädte wie die Hansestädte im Norden sowie Nürnberg und Augsburg im Süden waren Mittelpunkte eines für jene Zeit ansehnlichen Reichtums und Luxus. Doch die Zivilisation in Deutschland existierte nur in einzelnen Zentren der Industrie und des Handels. Dazwischen lagen weit abgelegen und vom Verkehr ausgeschlossen zahlreiche kleine Städte, die ungestört in den Lebensbedingungen des späten Mittelalters dahinvegetierten. Auf dem Land kam nur der Adel in Berührung mit den neuen Bedürfnissen, die Masse der Bauern kam nie über den lokalen Horizont heraus. Wie kam es dann, dass Menschen in den verschiedensten Teilen Deutschlands, die weitgehend ohne Verbindung waren, sich zusammenschlossen, um gegen die bestehenden Verhältnisse zu rebellieren?

Eine Erklärung ist in der geknechteten Situation der Bauern zu finden. Auf dem Bauer lastete der ganze Schichtenbau der Gesellschaft: Fürsten, Beamte, Adel, Klerus und Bürger. Der hohe Adel und die Fürsten machten Krieg und Frieden auf eigene Faust, hielten stehende Heere und schrieben Steuern aus. Das Geldbedürfnis stieg mit den wachsenden Kosten und die Steuern wurden immer erdrückender. Während die Städte durch ihre Privilegien geschützt waren, fiel die ganze Wucht der Steuerlast auf den Bauern. War er Leibeigener, war er seinem Herrn auf Gnade und Ungnade zur Verfügung gestellt, war er Höriger, musste er den größten Teil seiner Zeit auf den Gütern des Herrn arbeiten, von dem, was er in den wenigen freien Stunden erwarb, musste er Zehenten, Zins, Kriegsteuer, Landessteuer und Reichssteuer bezahlen. Fischerei und Jagd gehörten dem Herrn, die Gemeindeweiden und Wälder wurden den Bauern gewaltsam weggenommen.

"Und wie über das Eigentum, so schaltete der Herr willkürlich über die Person des Bauern, über die seiner Frau und seiner Tochter. Er hatte das Recht der ersten Nacht. Er warf ihn in den Turm, wenn es ihm beliebte. ... Wer sollte ihn schützen? In den Gerichten saßen Barone, Pfaffen, Patrizier oder Juristen, die wohl wussten, wofür sie bezahlt wurden. Alle offiziellen Stände des Reichs lebten ja von der Aussaugung der Bauern." (Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg)

Die Bauern litten unter diesem furchtbaren Druck, dennoch waren sie schwer zum Aufstand zu bringen. Ihre Zersplitterung erschwerte jede gemeinsame Übereinkunft, die lange Gewohnheit der von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzten Unterwerfung und die Entwöhnung vom Gebrauch der Waffen trugen dazu bei, die Bauern ruhig zu halten. Eine Einheit konnte sich erst mit der allgemeinen Verbreitung revolutionärer religiös-politischer Ideen der Reformation herausbilden.

Martin Luther und Thomas Münzer

Vor allem zwei religiöse Führer spielten entscheidende Rollen in diesem Kampf und wurden zu Repräsentanten unterschiedlicher Gesellschaftsklassen. Der erste war Martin Luther, ein Rebell, der die Missstände und die Korruption der katholischen Kirche anprangerte. Bald gelang es ihm mit seinen Ideen, das Bürgertum und Teile des Adels an sich zu ziehen, denen der Nepotismus und die Oligarchie einiger weniger Familien ein Dorn im Auge waren, und die ihren Anteil an der gesetzgebenden Gewalt forderten. Sie hatten nur darauf gewartet, um sich gegen die Abhängigkeit von Rom und die katholische Hierarchie zu erheben, und sich durch die Konfiskation des Kirchengutes zu bereichern. So flaute Luthers revolutionärer Feuereifer bald ab und er predigte die friedliche Entwicklung und den passiven Widerstand. Mit seiner Übersetzung der Bibel hatte er dem Volk jedoch ein mächtiges Werkzeug in die Hände gegeben.

Sein Gegenspieler wurde Thomas Münzer, ein Revolutionär, der sich an die Spitze der Ausgebeuteten und Geknechteten stellte. Thomas Münzer war ein wild-fanatischer Asket, einer, den wir heute als Fundamentalisten bezeichnen würden. Sein asketisch-strenger Lebenswandel war dem Volk, das ohnehin keinen Luxus kannte, nicht fremd, und er sprach eine prophetische Sprache, die einzige, die vom Volk zu jener Zeit verstanden wurde. Sein Programm forderte die Zurückführung der Kirche auf ihren Ursprung und die Beseitigung aller Institutionen, die mit dieser urchristlichen Kirche in Widerspruch standen. Münzer nahm die Bibel beim Wort und predigte, dass alle Menschen vor Gott gleich seien. Die eigentliche Offenbarung sei aber die Vernunft, eine Offenbarung, die zu allen Zeiten und bei allen Völkern existiert habe und noch existiere. Für ihn war Christus ein Mensch, ein Prophet und Lehrer, und unter dem Reich Gottes verstand er einen Gesellschaftszustand, in dem keine Klassenunterschiede, kein Privateigentum und keine den Gesellschaftsmitgliedern gegenüber fremde Staatsgewalt bestünden. Jeder solle des andern Bruder sein, sein Brot mit seiner Hände Arbeit gewinnen und keiner mehr haben als der Andere.

"Das sag ich euch, wollt ihr nit um Gottes Willen leiden, so müßt ihr des Teufels Marterer sein. Darum huet euch, seid nit also verzagt, nachlässig, schmeichelt nit langer den verkehrten Fantasten, den gottlosen Bösewichtern, fanget an und streitet den Streit des Herren! Es ist hoch Zeit, haltet eure Brüder alle darzu, daß sie gottlichs Gezeugnis nicht verspotten, sunst müssen sie alle verderben. Das ganze deutsche, französisch und welsch Land ist bewegt. Der Meister will Spiel machen, die Böswichter müssen dran. Zu Fulda sind in der Osterwoche vier Stiftkirchen verwuestet. Die Bauern im Kleegau und Hegau, Schwarzwald sind auf, dreimal tausend stark, und wird der Hauf je länger je größer. Allein ist das mein Sorg, daß die narrischen Menschen sich verwilligen in einen falschen Vertrag, darum, daß sie den Schaden nach nit erkennen."
(Thomas Münzer, Mühlhausen im Jahre 1525)

Während das Volk dieses neue Evangelium mit Freuden aufnahm, hatte Luther für die aufständischen Bauern kein Verständnis. "Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muss", schrie er wütend. Luther setzte nun die Bibel, einst die Grundlage für seine eigene Rebellion, als Mittel zur Niederhaltung der aufrührerischen Bauern ein. Aus seiner Interpretation von Bibelzitaten stellte er einen Freibrief für die von Gott eingesetzte Obrigkeit zusammen, wie es nicht einmal der katholischen Kirche und den Verfechtern der absoluten Monarchie eingefallen war. Eine Gleichheit der Menschen dürfe es nur im Paradies geben, auf Erden hätten die Geknechteten die Herrschaft zu akzeptieren, selbst wenn sie ungerecht sei. Selbst die Leibeigenschaft versuchte er mithilfe der Bibel zu sanktionieren. Die Rebellion der Bauern wurde von den Herrschenden blutig niedergeschlagen und Thomas Münzer am 15. Mai 1525 gefangen genommen, in der Wasserburg Heldrungen gefoltert und am 27. Mai in Mühlhausen enthauptet.

Kann uns diese Geschichte aus längst vergangener Zeit heute noch etwas sagen? Wehrt sich nicht auch noch heute wie damals das Bürgertum mit allen Mitteln, wenn es sich in seiner Freiheit, Geschäfte zu machen eingeschränkt fühlt, predigt aber Gewaltlosigkeit für die Ausgebeuteten und Unterdrückten? Und wie viele einstige Rebellen haben wir erlebt, die sich, sobald sie am Futtertrog der Macht mitnaschen durften, zu den eifrigsten Verteidigern der bestehenden Ordnung wandelten? Und selbst heute noch, in unserer anscheinend so "aufgeklärten" Zeit, wird die Religion für politische Ziele eingesetzt, man könnte auch sagen, missbraucht.

Die Palästinenserin Viola Raheb hat die Religionen einmal mit einem orientalischen Bazar verglichen, weil man dort alles finden kann, wonach man sucht. Von den Herrschenden meist eingesetzt, um das Volk ruhig zu halten, haben sie aber im Lauf der Geschichte den Völkern auch immer wieder Kraft und Impulse für den Kampf um seine Befreiung geliefert. Oft wird gesagt, die Welt sei heute ein globales Dorf geworden. Könnte man die Auseinandersetzung zwischen den ausgebeuteten Bauern und dem wirtschaftlich und politisch herrschenden Bürgertum nicht auch mit dem Konflikt zwischen den Eliten der Industrieländer und den bäuerlichen Massen der Dritten Welt vergleichen? Die Religionen werden in diesem Konflikt von verschiedenen Kräften zur Verteidigung ihrer Machtinteressen eingesetzt. Einerseits werden Einheimische gegen die EinwanderInnen, andrerseits die Völker der Welt gegeneinander ausgespielt. Doch Spaltung hilft den Unterdrückten nicht, sich zu befreien. Nicht durch starre Ideologien, sondern nur durch Einigkeit, Organisation und Solidarität können sie Stärke erlangen. Deshalb wäre es ein Fortschritt und eine Befreiung für die Menschheit, wenn die Religion als eine persönliche Angelegen.

Bild: Eroberung der von einer Österreichischen Besatzung unter Graf Ludwig von Helfenstein verteidigten Stadt Weinsberg durch das Neckartal-Odenwälder Bauernheer, 16. April 1525, Gemälde von Fritz Neuhaus | Bild: picture-alliance/dpa

erschienen in: Talktogether Nr. 19/2007