Revolution für das Klima

09.09.2020

In seinem 2020 im Oekom-Verlag erschienenen Buch "Revolution für das Klima. Warum wir eine ökosozialistische Alternative brauchen" versucht der Wirtschaftsgeograph Christian Zeller deutlich zu machen, warum es für die Rettung des Klimas eine Revolution braucht und wie diese aussehen könnte.

Warum wir eine ökosozialistische Alternative brauchen

Die Folgen der durch die Emission von Treibhausgasen verursachten Erderwärmung sind seit vielen Jahrzehnten bekannt. Wir befinden uns nicht in einer Krise, sondern stehen vor der Entscheidung über den Fortgang der Zivilisation. Deshalb sei es unvernünftig, so der Autor, nur zu verlangen, was im Kontext der gegebenen Verhältnisse möglich ist.

Um die schlimmsten Folgen zu vermeiden, müsste der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden. Dazu ist es notwendig, die Treibhausgase schnell und drastisch zu reduzieren, was aber ohne einen radikalen Eingriff in bestehende Produktions-, Transport- und Konsumstrukturen nicht möglich ist. Der Umstieg auf erneuerbare Energien reicht nicht aus, da auch diese viele Ressourcen benötigen, deren Abbau wiederrum Energie verbraucht. Um die Klimaziele einzuhalten, ist eine Reduktion des weltweiten Energieverbrauchs nötig, doch ein Rückgang der Produktion würde die Profitraten einbrechen lassen, was das Kapital nicht akzeptieren würde. Somit rüttelt die Klimabewegung an den Grundfesten unserer Wirtschaftsweise und an den herrschenden Eigentumsverhältnissen.

In der Klimabewegung ist jedoch nur ansatzweise antikapitalistisches Bewusstsein vorhanden. Immer noch setzen viele ihre Hoffnungen darauf, die politisch Verantwortlichen und Konzernchefs durch Druck und Dialog zu Reformen zu bewegen. Auf der anderen Seite hat die Arbeiterbewegung in der Vergangenheit die ökologischen Herausforderungen ignoriert. In den Staaten, die sich sozialistisch bezeichnet haben, herrschte die Illusion, dass sich durch die Steigerung von Produktion und Konsum die Klassenunterschiede von selbst auflösen würden. Um diese Lücke zu füllen, plädiert Zeller für den Aufbau einer Bewegung, die ökologische und soziale Ziele verbindet. Der Ökosozialismus habe nicht nur die Rettung des Klimas zum Ziel, sondern auch die Beseitigung sozialer Ungleichheit, die gerechte Aufteilung der Arbeitszeit, die Schaffung qualitätsvoller Arbeitsplätze sowie die Überwindung von patriarchalischer Unterdrückung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Zeller entwirft ein Szenario eines gesellschaftlichen Umbauprogramms, dass bei Reformen beginnt, aber nicht dabei stehen bleibt. Viele der Forderungen sind nicht neu: Überflüssige und schädliche Produktionen wie die Rüstungsindustrie sollten ab- oder umgebaut werden, langlebigere Produkte erzeugt, sinnlose Verpackungen vermieden werden. Statt durch Werbung neue Bedürfnisse zu schaffen, sollte über die Herstellungsweise der Produkte informiert werden. Lebensmittel und andere für die Versorgung der Bevölkerung wichtige Produkte sollten regional erzeugt, Transporte reduziert, der öffentliche Verkehr ausgebaut, die Zersiedelung gestoppt und die demokratische Mitbestimmung auf alle Lebensbereiche wie Arbeit, Wohnen und Freizeit ausgeweitet werden. Für die industriellen Produktion schlägt der Autor die Vergabe von Produktionskonzessionen nach ökologischen Kriterien vor. Die Energiesysteme sollten dezentralisiert und von den Menschen kontrolliert werden. Außerdem fordert Zeller die gesellschaftliche Aneignung und öffentliche Kontrolle des gesamten Finanzsektors, auch Technologie und Wissenschaft sollten in die Hände der Menschen transferiert werden. Die Länder des Südens müssen durch einen Schuldenerlass aus der neokolonialen Abhängigkeit befreit werden.

Bleibt nur noch die schwierige Frage, wie eine Mehrheit für einen ökosozialistischen Gesellschaftsumbau gewonnen werden kann. Zeller plädiert dafür, sich zu organisieren, zu solidarisieren und zu vernetzen. Gewerkschaftliche, feministische, kleinbäuerliche, antirassistische, antikoloniale und indigene Bewegungen müssen über die Grenzen hinweg zusammengebracht werden. Für Zeller spielen die Gewerkschaften eine Schlüsselrolle in diesem Kampf. Da heute mächtige Industriegewerkschaften an der Seite der Konzernchefs für die Standortsicherung und gegen die Umweltbewegung kämpfen, stellt sich allerdings die Frage, wie diese dazu gebracht werden können, über den eigenen Tellerrand blicken.

Demokratische Planung, Macht und Kontrolle

Was, wo und wem produziert wird, sind Schlüsselfragen unserer Gesellschaft. Durch das Eigentum an den Produktionsmitteln und der Verfügungsgewalt über diese ist das Kapital in der Lage, den Arbeitenden einen Mehrwert auszupressen und die Natur auszuplündern. Doch die Reichtümer des Planeten gehören der gesamten Menschheit. Aber wer sollte sie verwalten?

Zeller schlägt vor, dass Beschäftigte und Konsument*innen gemeinsam die Produktion verwalten und kontrollieren. Damit sich die Betriebe nicht gegenseitig konkurrieren, braucht es eine überregionale Planung und Koordination. Das passiert durch ein System von Räten und Delegierten, die sich nach Regionen und Branchen vernetzen und interagieren, ohne jedoch einen überdimensionalen bürokratischen Apparat zu schaffen. Heute wenden große Unternehmen Planungsmethoden an, die Hundertausende Beschäftigte und Millionen Kund*innen auf der ganzen Welt umfassen. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien würden es auch ermöglichen, ganze Industriesektoren und Volkswirtschaften auf transnationaler Ebene zu planen.

Bleibt nur noch die schwierige Frage, wie eine Mehrheit für einen ökosozialistischen Gesellschaftsumbau gewonnen werden kann. Zeller plädiert dafür, sich zu organisieren, zu solidarisieren und zu vernetzen. Gewerkschaftliche, feministische, kleinbäuerliche, antirassistische, antikoloniale und indigene Bewegungen müssen über die Grenzen hinweg zusammengebracht werden. Für Zeller spielen die Gewerkschaften eine Schlüsselrolle in diesem Kampf. Da heute mächtige Industriegewerkschaften an der Seite der Konzernchefs für die Standortsicherung und gegen die Umweltbewegung kämpfen, müssten diese allerdings erst dazu gebracht werden, über den eigenen Tellerrand blicken.

Resume:

Ohne überzeugendes Ziel, gibt es keine Motivation, so etwas Mühsames wie einen Gesellschaftsumbau anzugehen. Dieses Ziel bleibt in vielen antikapitalistischen Bewegungen oft skizzen- und parolenhaft. Zeller dagegen beschreibt, wie ein ökosozialistischer Umbau unserer Wirtschaftsweise und unseres Gesellschaftssystems konkret organisiert werden könnte. Ein so radikaler Gesellschaftsumbau erfordert jedoch den Bruch mit dem Dogma des grenzenlosen Wirtschaftswachstums. Weil der Kapitalismus aber nur funktioniert, wenn die Wirtschaft wächst, kann dieser Umbau nur durch einen Machtwechsel - eine Revolution - verwirklicht werden. Zu ergänzen wäre nur noch, dass die Kämpfe auch nach einer Revolution nicht aufhören werden, weil das Kapital alles tun wird, um verlorenes Terrain wieder zurückzuerobern, und es deshalb weiterhin notwendig sein wird, "gegen den Strom" zu schwimmen.

In diesem Werk verbindet Zeller wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Entwurf einer Gesellschaft, in der die Bedürfnisse von Mensch und Natur geachtet werden, und ruft zur Mobilisierung auf. Das Buch ist geeignet, wichtige Debatten über Strategien zur Rettung des Klimas anzustoßen und hoffentlich auch zu strömungsübergreifenden Gesprächen anzuregen. Stellenweise ist es allerdings ein bisschen mühsam zu lesen. Weniger Theorien und stattdessen mehr Beispiele zur Veranschaulichung der Problematik hätten dazu beitragen können, die Thematik einem breiteren Publikum - auch jenseits von linken akademischen Kreisen und Bildungsbürgertum - zugänglich zu machen.

erschienen in Talktogether Nr. 73/2020

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