24h-Betreuung: Gute Pflege braucht gute Arbeitsbedingungen

Seit Mai 2023 organisiert Liliane Walch von der Betriebsseelsorge Salzburg im ABZ Itzling einmal im Monat ein Café für die 24h-Betreuer*innen, die hier in Salzburg arbeiten. Die Treffen sollen ihnen ermöglichen, sich auszutauschen, sich zu vernetzen und zu informieren. Die zumeist aus Osteuropa stammenden 24h-Personenbetreuer*innen tragen einen wesentlichen Teil des österreichischen Pflegesystems auf ihren Schultern und haben es verdient, unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten und leben zu können. Deshalb unterstützt die Betriebsseelsorge auch die Forderungen der IG24 – einer Selbstorganisation der 24h-Betreuungskräfte, die die Interessen der Berufsgruppe in Österreich vertritt.
Über 60.000 Menschen, zu 95 Prozent Frauen, leisten in Österreich von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt eine enorm wichtige Arbeit, auf die auch viele von uns eines Tages angewiesen sein könnten. Sie kommen aus Bulgarien, Rumänien, Ungarn und der Slowakei, um hier zwei Wochen oder einen Monat lang rund um die Uhr alte und kranke Menschen zu betreuen. Sie arbeiten und wohnen in einem Privathaushalt und sind für die Pflegebedürftigen die erste Ansprech- und oft auch wichtigste Bezugsperson. Es ist eine körperlich und mental sehr herausfordernde Aufgabe, isoliert und ohne Privatleben oder soziale Kontakte Tag und Nacht verantwortlich für einen kranken Menschen zu sein, häufig ohne ausreichenden Schlaf.
Das 24h-Betreuerìnnen-Cafe im ABZ
Seit Mai 2023 lädt Liliane Walch von der Betriebsseelsorge der Erzdiözese Salzburg die 24h-Betreuer*innen aus Salzburg ins ABZ zu einem Café ein. Dort können sie sich einmal im Monat bei Kaffee und Kuchen vom Arbeitsalltag erholen, Kontakte knüpfen und sich in ihrer Muttersprache unterhalten. Damit möchte Liliane ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für ihre wichtige Arbeit an unseren alten und kranken Mitmenschen setzen.
In Oberösterreich gibt es mehrere Cafés für 24h-Betreuer*innen, außerdem die Beratungsstelle CuraFAIR in Linz. Da in Salzburg nichts Vergleichbares existiert hat, wollte Liliane auch hier ein Angebot für diese Menschen schaffen. Seit nunmehr zwei Jahren findet das Betreuer*innen-Café regelmäßig statt. Mit Flyern und Plakaten macht Liliane darauf aufmerksam und bittet die Agenturen, die Einladungen weiterzuleiten. Weil es für die Frauen, denen laut Gesetz eine zweistündige Ruhezeit zusteht, nicht einfach ist, die Termine wahrzunehmen, wird auch ein Abholservice angeboten.
Liliane möchte aber auch dazu beitragen, die Arbeitssituation der Frauen zu verbessern. Wenn arbeits- oder sozialrechtliche Fragen auftauchen, vermittelt sie die 24h-Betreuer*innen an CuraFAIR, eine Servicestelle der Volkshilfe in Linz, die kostenlose Beratung für 24h-Betreuerinnen in ihrer jeweiligen Muttersprache und bei Bedarf auch Supervision anbietet, weiter. Die Beratung kann telefonisch, per Whatsapp oder per Video-Chat stattfinden. Wenn es nötig ist, kommen Mitarbeiterinnen von CuraFAIR auch nach Salzburg. Sie waren auch schon im ABZ und haben sich bei den Betreuer*innen persönlich vorgestellt.
Prekäre Arbeitsbedingungen
Die Frauen lassen ihr Zuhause und die eigenen Angehörigen zurück und nehmen eine lange, beschwerliche und oft auch teure An- und Abreise in Kauf, um ihre Familie durch diese Arbeit finanziell unterstützen zu können. In ihren Herkunftsländern finden sie oft keine Arbeit oder die Bezahlung ist zu niedrig, um die Lebenserhaltungskosten abzudecken. Manche Agenturen organisieren Bustransporte, doch die Busfahrer sind meist übermüdet, weil sie die Ruhezeiten nicht einhalten.
Die Betreuungskräfte sind fast ausschließlich als selbstständige Unternehmer*innen tätig, deren Klienten und Klientinnen von Agenturen vermittelt werden. Als (Schein)Selbständige müssen sie selbst für die Sozialversicherung aufkommen und sind weder bei Krankheit noch bei Arbeitslosigkeit abgesichert. Gleichzeitig sind sie von den Vermittlungsagenturen, die oft knallharte Verträge haben und sowohl von den Betreuer*innen und als auch von den Angehörigen hohe Abgaben verlangen, persönlich und wirtschaftlich abhängig. 24h-Betreuungskräfte, die über ÖQZ-24 zertifizierte Agenturen tätig sind, verdienen zwar etwas mehr und erhalten bei Problemen Unterstützung, dennoch bleibt auch ihnen am Ende nur ein Stundenlohn von drei bis vier Euro übrig – eine Bezahlung weit unter dem Mindestlohn in Österreich.
Die Betriebsseelsorge in Salzburg unterstützt deshalb auch die Forderungen der IG24 (Initiative Gerechtigkeit in der Personenbetreuung in Österreich). Die Initiative ist ein selbstorganisierter, von Aktivist*innen unterstützter überparteilicher Verband, der aus der Iniciativa24, einem Zusammenschluss slowakischer Betreuer*innen, sowie DREPT (Gerechtigkeit in der Pflege und Personenbetreuung), einem Zusammenschluss rumänischer Betreuer*innen, hervorgegangen ist und sich zum Ziel gesetzt hat, die Interessen der Berufsgruppe in umfassender Weise zu vertreten. Ihre Forderungen lauten unter anderem:
- ein durch die öffentliche Hand geregeltes, entsprechend entlohntes Beschäftigungsverhältnis,
- anständige Unterbringung und Verpflegung sowie Anlaufstellen bei (sexuellen) Übergriffen und Gewalt,
- ein an die Branche adaptiertes Pensionsmodell zur Vermeidung von Altersarmut,
- die Einführung einer öffentlich subventionierten Basisausbildung für 24h-Betreuer*innen sowie
- die Begrenzung der Provisionen und Gebühren, die Vermittlungsagenturen von Angehörigen und 24h-Betreuungskräften verlangen zu dürfen.
Mehr dazu: https://ig24.at/de/
Ein Gespräch im Rahmen des 24h-Betreuer*innen-Cafés
Wie lange arbeiten Sie schon in der 24-Stunden-Betreuung?
Ich bin seit 18 Jahren in der Betreuung in Österreich und gelernte Krankenschwester. Davor war ich lange Krankenschwester in der Slowakei im Krankenhaus auf einer Kinderstation. In Österreich selber habe ich immer in der 24h-Betreuung gearbeitet. Seitdem bin ich immer im Wechsel für zwei Wochen in Österreich und dann wieder für zwei Wochen zuhause. Manchmal bin ich schon ein bisschen müde vom Hin- und Herreisen.
Was ist Ihnen in der Arbeit wichtig?
Am wichtigsten ist mir, dass sich die betreute Person wohlfühlt, dass ich alles für sie tun kann, was sie braucht, sie dementsprechend zu unterstützen, dass sie zufrieden ist.
Was macht Ihnen in der Arbeit Freude?
Wenn ich sehe, dass meine Arbeit auch etwas bringt. Manche Menschen sind so schwer krank, dass sie es zwar schon gar nicht mehr sehen oder merken, was ich für sie tue, aber mir macht es trotzdem Freude, wenn ich weiß, dass ich sie unterstützen kann. Auch wenn die zu pflegende Person es nicht mehr ausdrücken kann, ich aber zumindest die Freude in ihrem Gesicht sehe, oder wenn ihnen etwas, was ich mache, gutgetan hat, dann ist das wie eine Belohnung für mich. Auch wenn ich von den Familienangehörigen ein positives Feedback bekomme, dass sie zufrieden sind mit meiner Arbeit, macht mir das Freude. Mir ist es sehr wichtig, und das zeichnet mich vielleicht auch aus, dass alle zufrieden sind und ich meine Arbeit verlässlich und ordentlich mache.
Was ist für Sie in der Arbeit besonders schwierig?
Das Schwierigste an der 24-Stunden-Betreuung ist die Distanz zur eigenen Familie und der Mangel an sozialen Kontakten. Ich bin die meiste Zeit mit der pflegebedürftigen Person allein. Wenn dann viele Tage gleich sind und ich wenig Abwechslung habe, dann drückt mir das manchmal schon auf das Gemüt, und ich denke mir, ich kann das nicht mehr. Aber dann kommt ein positiver Impuls und ich merke, es geht doch, und dann geht es auch weiter. Es ist vor allem dann schwer, wenn man keine Möglichkeit hat, rauszugehen und sich auszutauschen über die Erfahrungen und die Belastung. Da muss man einfach selbst sehr auf die eigene psychische Gesundheit achten. Ich muss dann bewusst nach draußen gehen an die frische Luft, damit ich zwischendurch auch ein bisschen Abstand habe zur betreuten Person. Wenn ich dann rausgehe, ist es dennoch nicht so leicht, soziale Kontakte zu knüpfen. Ich habe auch mit anderen Betreuerinnen Kontakt, aber die können ihre Klient*innen oft auch nicht allein lassen und einander treffen.
24h-Betreuer*innen Cafe im ABZ: https://www.kirchen.net/abz/arbeitswelt/projekte/cafe-fuer-24-h-betreuerinnen
veröffentlicht in Talktogether Nr. 92/2025