Gretas entschlossene Mitstreiterinnen
Seit Jahrzehnten machen Menschen auf der ganzen Welt auf die Klimakrise aufmerksam, doch die Aufmerksamkeit der Medien scheint sich nur auf eine einzige Person zu konzentrieren. Greta Thunberg hat zweifellos viel bewegt und beeindruckt durch ihre Unerschrockenheit, Ernsthaftigkeit, Leidenschaftlichkeit und Entschlossenheit. Sie ist in einem reichen Land aufgewachsen und hat Eltern, die ihr Engagement unterstützen. Greta ist sich ihrer Privilegien bewusst und weist immer wieder auf ihre Mitstreiter*innen auf der ganzen Welt hin, denn es gibt auf allen Kontinenten zahlreiche Klima- und Umweltaktivist*innen, deren Namen wir selten oder gar nie hören.
In Kanada kämpft die 15-jährige indigene Aktivistin Autumn Peltier für das Recht auf sauberes Trinkwasser. Die 15-jährige Leah Namugerwa aus Uganda streikt zusammen mit ihren Mitschüler*innen jeden Freitag für das Klima und pflanzt Bäume an, um der Umwelt zu helfen. In einem Interview gab sie an, von Greta inspiriert worden zu sein. Auch wenn es verständlich sei, dass sich Leah ein Mädchen aus ihrer Altersgruppe zum Vorbild gewählt habe, fragt sich die Autorin Chika Unigwe, ob sie nicht auch von Wangari Maathai aus dem Nachbarland Kenia, die 2004 für ihr Aufforstungsprojekt mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, beeinflusst worden sein könnte. Unigwe findet das in den Medien verbreitete Bild von den "weißen Retter*innen" problematisch, weil es jene Menschen beleidige, die am meisten von der Klimakrise betroffen sind. (*)
Im Gegensatz zu den in den Medien verbreiteten Bild gehören zu den Pionierinnen der globalen Umweltbewegung viele Frauen aus dem Süden. Oft handelt es sich dabei um Kleinbäuerinnen, Hausfrauen und indigene Frauen, die die Lebensbedingungen ihrer Familien und Gemeinschaften verteidigen. Dass die Frauen in diesem Kampf oft mehr Entschlossenheit zeigen als die Männer, liegt aber wohl weniger an ihrer angeblich angeborenen Verbundenheit mit der Natur als an der Rollenverteilung in der Gesellschaft. Während Lohnarbeit vorwiegend Sache der Männer ist, kümmern sich die Frauen um das Gemüsefeld und versorgen die Hühner, damit die Familie auch zu essen hat, wenn der oft unsichere Lohn ausbleibt. Diese Autonomie ist jedoch durch die Enteignungen und Zerstörungen durch das globalisierte Kapital bedroht.
Pionierinnen der Umweltbewegung im Süden
1977 rief Wangari Maathai in Kenia die "Green-Belt-Bewegung" zum Schutz der Umwelt und der Böden ins Leben. Dieses vor allem von Frauen getragene Aufforstungsprojekt hat sich im Laufe der Jahre zu einer panafrikanischen Bewegung entwickelt, die in zahlreichen Ländern aktiv ist. Bis heute hat die Green Belt Bewegung mehr als 45 Millionen Bäume gepflanzt und damit vielen Menschen eine nachhaltige Einkommensquelle gesichert. Aufgrund ihres Engagements für die Umwelt und die Rechte der Frauen wurde Wangari Maathai unter der Regierung von Arap Moi mehrmals inhaftiert und gefoltert. 2002 hat eine neue Regierung das Engagement der 2011 verstorbenen Biologin gewürdigt und sie zur stellvertretenden Umweltministerin ernannt. 2004 erhielt sie als erste Afrikanerin den Friedensnobelpreis.
Für Vandana Shiva sind Ökologie und Feminismus untrennbar verbunden. Um die Biodiversität und die Versorgung der Bevölkerung mit gesunder Nahrung zu sichern, gründete die Physikerin ein Forschungs- und Schulungszentrum für ökologischen Landbau im nordindischen Dehradun, in dem einfache Hausfrauen und Bäuerinnen eine tragende Rolle als Expertinnen spielen. Seit 25 Jahren unterhält Navdanya [neun Samen] eine Versuchsfarm und eine Saatgutbank, um die traditionelle Sortenvielfalt zu erhalten, und beweist damit, dass mit einer ökologischen Anbauweise höhere Erträge erzielt werden können als durch die industrielle Landwirtschaft. Zudem bindet die organische Landwirtschaft um 50 Prozent mehr Kohlendioxid in die Böden und leistet somit einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz. Zu Beginn musste Navdanya noch nach Farmern suchen, die ökologische Landwirtschaft betreiben wollten, heute kommen sie von selbst. Wenn ein Bauer seinen Anbau umstellen will, bekommt er von einer der 120 Saatbanken im Land kostenlos Samen. Wenn er nach der Ernte neues Saatgut zurückbringt, hilft er damit anderen Bauern, die sich ebenfalls von der Abhängigkeit der Chemiekonzerne lösen wollen. Ähnliche Projekte gibt es auch in Tansania, Äthiopien und anderen Ländern.
Die Aufforstung und die Stärkung der gesellschaftlichen
Rolle der Frauen waren aber auch Schwerpunkte der Regierung von Thomas Sankara,
der von 1983 bis zu seiner Ermordung 1987 Präsident von Burkina Faso war.
Dieser hat immer den Zusammenhang zwischen Ernährungssicherheit, Umweltschutz
und dem Imperialismus betont, wie er es auf der Umweltkonferenz 1986 in Paris
prägnant darlegte: "Der Kampf für Baum und Wald ist vor allem ein
antiimperialistischer Kampf, denn der Imperialismus ist der Pyromane unserer
Wälder und Savannen."
Erfolge und Niederlagen
In den 1970er Jahren kämpften Frauen in der indischen Himalaya-Region Bäume gegen die kommerzielle Abholzung der Wälder. Bekannt wurde die Chipko-Bewegung [Chipko bedeutet Umarmung] für die Methode, die Bäume zu umarmen und sich an sie anzuketten, um deren Fällung zu verhindern. Die Proteste der Bewegung führten 1980 in Uttar Pradesh zu einem 15-jährigen Verbot durch Premierministerin Indira Gandhi, Bäume in den höheren Lagen des Himalayas zu fällen.
Zwischen 2002 und 2003 haben Frauen im Nigerdelta weltweit Aufsehen erregt, als sie den Exportflughafen von Chevron/ Texaco und einige Ölförderstationen besetzten und drohten, sich nackt auszuziehen, was in ihrer Kultur einen bedrohlichen Fluch darstellt. Die Frauen griffen zu dieser Maßnahme, um auf die Vergiftung der Umwelt und die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen durch die Ölkonzerne aufmerksam zu machen. Ihre Proteste inspirierten Frauen auf der ganzen Welt, internationale Boykotte und landesweite Streiks folgten. Leider warten die Bewohner*innen der betroffenen Gebiete jedoch bis heute vergeblich auf die von der Regierung versprochenen Entschädigungszahlungen und Reinigungsarbeiten.
Drei Jahrzehnte lang kämpfte Medha Patkar mit den Menschen im indischen Narmada-Tal gegen ein gigantisches Staudammprojekt, das einige Tausend Dämme umfasst. Betroffen davon sind insbesondere viele Angehörige der Adivasi, der indigenen Völker Indiens. Da diese meist keine Besitzurkunden für das Land besitzen, erhalten sie auch keine angemessene Entschädigung für den Verlust ihrer Lebensgrundlage. Medha Patkar koordinierte die zahlreichen Graswurzelbewegungen, unterstützte sie bei der Entwicklung öffentlichkeitswirksamer Kampagnen und Slogans und organisierte gewaltlose Aktionen. Der Bewegung gelang es, einen Rückzug der Weltbank von dem Projekt zu erwirken. Ein Prozess stoppte die Bauarbeiten für fast sechs Jahre, verhindert werden konnte der Bau der Staudämme aber nicht. Hunderttausende mussten umgesiedelt werden und verloren ihren Lebensunterhalt. Das Wasser, das so viele Dörfer, Ackerland und Wälder überflutet hat, ist jedoch nur für die Unternehmen und die städtische Mittelschicht da, die Bauern in den dürregeplagten Regionen des Bundesstaats Gujarat müssen weiterhin auf den Regen warten, um ihre Felder zu bewässern.
Indigene Frauen im Widerstand gegen die Konzerne
Indigene Frauen erfahren seit Jahrhunderten Vertreibung, Angst, Mord und Vergewaltigung durch Eindringlinge. Sie müssen erleben, wie ihr Land geraubt und ihre Kulturen vernichtet werden. Während die Frauen in den industrialisierten Gesellschaften immer noch um die Gleichberechtigung mit den Männern kämpfen müssen, ist ihre Gleichstellung in vielen indigenen Gemeinschaften ganz normal. Indigene Völker sind weder rückständig noch primitiv, sondern ihre Ansichten sind höchst modern. Es handelt sich nämlich um komplexe Gesellschaften, die sich entwickeln und entfalten, wenn man ihnen erlaubt, so zu leben, wie sie es selbst entscheiden.
Marx hat einmal geschrieben, dass die Ausgebeuteten von der Produktionsweise selbst organisiert, geeint und diszipliniert werden. So könnte man sagen, dass der Widerstand gegen die internationalen Konzerne die Frauen dazu gebracht hat, sich zu organisieren und international zu vernetzen. Heute schließen sich immer mehr Gemeinschaften zusammen, um Widerstand gegen die fortschreitende Vernichtung ihrer Kulturen und Lebensräume zu leisten. Auf allen Kontinenten wehren sich indigene Aktivistin-nen gegen die Zerstörung ihrer Umwelt und ihrer Lebensgrundlagen durch große Konzerne. Frauen spielen dabei oft eine herausragende Rolle. Für sie alle ist der Umweltschutz untrennbar mit dem Kampf für soziale Gerechtigkeit verbunden. Ihre Gegner versuchen immer wieder, sie einzuschüchtern, damit sie ihren Kampf für die Umwelt und ihre Gemeinschaften aufgeben. Wie gefährlich es sein kann, den Konzernen in die Quere zu kommen, zeigt die Ermordung der Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta Carceres 2016 in Honduras.
In Sibirien kämpft Yana Tannagasheva gegen Bergbauunternehmen, die indigene Familien aus ihren Häusern vertreiben, während Rusmedia Lumban Gaol in Indonesien Widerstand gegen die Abholzung des Regenwalds leistet. Aura Lolita Chávez Ixcaquic aus Guatemala und ihre Mitstreiterinnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, illegale Abholzungen zu beenden, indem sie die Ladungen der aus den Wäldern kommenden LKWs kontrollieren, und lassen sich auch durch Morddrohungen nicht davon abhalten. In den USA leitet die Anwältin Tara Houska Kampagnen für die Umweltorganisation "Honor the Earth" und beteiligts sich an den Protesten in Standing Rock gegen die Dakota Access Pipeline.
In einem aufsehenerregenden Prozess in Ecuador hat die indigene Gruppe der Waorani erreicht, dass auf ihrem Siedlungsgebiet im Amazonas vorerst nicht nach Öl gebohrt werden darf. Und die Stammesführerin Juana Payaba Cachique hat es in Peru geschafft, sich gegen die Goldschürfer zu wehren, die die Natur zerstören und das Wasser mit Quecksilber vergiften. Seitdem ihr vor dem höchsten Gericht Landrechte zugesichert wurden, beweist die Gemeinschaft, welche großartigen Fortschritte möglich sind, wenn man im Einklang mit der Natur lebt.
Weltweit streiken Jugendliche für das Klima, sammeln Müll und pflanzen Bäume an. Afrikanische Kinder basteln Spielzeug aus Plastik- oder Metallabfällen, ohne sich als Klimaschützer*innen zu betrachten. Auch angesichts der Tatsache, dass sich unter den acht Staaten, die Plastiksäcke vollständig verbannt haben, kein Industrieland aus dem Norden befindet, ist es höchste Zeit, sich von der Darstellung der "weißen Retter*innen" zu verabschieden und den Einsatz der Klima- und Umweltaktivist*innen in der sog. "Dritten Welt" und ihre beeindruckenden Aktionen zu würdigen. Außerdem ist es notwendig, die weltweiten Bewegungen noch mehr als bisher zu verbinden, denn nur wenn wir unsere Anstrengungen bündeln, haben wir eine Chance, den Planeten vor der Klimakatastrophe zu retten.
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(*) Chika Unigwe: It's not just Greta Thunberg: Why are we
ignoring the developing world's inspiring activists? The Guardian, 05.10.2019. www.theguardian.com
veröffentlicht in Talktogether Nr. 72/2020
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