Geschichte der Gewürze

20.04.2021

Gewürze wurden bereits vor 4000 Jahren zwischen den Kontinenten gehandelt. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie zur gewinnbringenden Luxusware und haben bei der Globalisierung des Handels eine wesentliche Rolle gespielt. Die Gier nach Gewürzen trieb koloniale Eroberungen an, löste Kriege aus und kostete hunderttausenden Menschen das Leben.

Genussmittel, Medizin und Auslöser von Kriegen


Gewürze verwöhnen den Gaumen, erregen die Sinne, verfeinern unsere Speisen und damit auch unser Leben. Sie werden aus Wurzeln, Zwiebeln, Rinden, Blättern, Kräutern, Blüten, Früchten und Samen gewonnen oder auch aus Krabben, Fisch, Algen oder sogar Insekten hergestellt, können aber auch mineralischen Ursprungs sein wie Salz. Die Geschmacksverfeinerung der Nahrung durch Gewürze ist bei Tieren unbekannt und eine rein menschliche Kulturleistung. Der Mensch nimmt vier Geschmacksrichtungen über die Zunge wahr: süß, salzig, sauer und bitter. Dabei sind jene Geschmacksknospen, die uns Bitterkeit signalisieren, 10.000 Mal empfindlicher als diejenigen, die für die Geschmacksrichtung "süß" zuständig sind. Der bittere Geschmack ist ein Warnsignal, damit wir giftige oder ungenießbare Substanzen schnell wahrnehmen und ausspucken können.

Geschmack ist aber auch eine Frage der Erfahrung. Schon in der Kindheit werden Geschmackspräferenzen geprägt. Funde in neolithischen Gräbern und Höhlen legen nahe, dass man in der Jungsteinzeit in Europa bereits Kräuter und wilden Kümmel zum Würzen von Speisen verwendet hat. Durch Ausgrabungen im vorderasiatischen Raum entdeckte man zudem, dass dort schon vor mehreren tausend Jahren Handel mit Gewürzen getrieben wurde. Manche der gefundenen Gewürze sind nämlich in der Region nicht heimisch und können nur durch Handel dorthin gelangt sein. In Mesopotamien wurden Tontafeln mit Kochrezepten aus der Zeit um 1750 v. Chr. gefunden, bei denen vor allem Knoblauch, Kümmel und Koriander eine große Rolle spielten. Auch im alten China und in Ägypten waren die aromatischen und medizinischen Wirkungen der Gewürze bekannt. In Ägypten wurden Gewürze sogar bei der Einbalsamierung und Mumifizierung verwendet.


So wertvoll wie Gold

Viele Gewürze wie Pfeffer, Gewürznelke, Muskatnuss, Zimt und Vanille stammen aus tropischen Gebieten. Über die Seidenstraße, die seit der Bronzezeit existierte, kamen asiatische Gewürzpflanzen auch nach Europa. In Europa waren Pfeffer und Zimt seit den Feldzügen Alexanders des Großen bekannt. Die Römer brachten eine Vielzahl von Gewürzmitteln und Rezepten aus den eroberten Provinzen mit und importierten Pfeffer aus Indien bereits über den Seeweg. Als um 330 n. Chr. Konstantinopel zur Handelsmetropole aufstieg, fanden auch Muskatnuss, Ingwer und Gewürznelken den Weg nach Europa.

Der Pfeffer dominierte seit der Antike den Gewürzhandel zwischen Asien und Europa. Seine Haltbarkeit und Schärfe machten ihn zum idealen Fernhandelsgut. Die erste Erwähnung von Pfeffer findet man beim griechischen Arzt Hippokrates. Die Römer hatten eine Vorliebe für stark gewürzte Speisen. Der römische Gelehrte Plinius der Ältere zeigte sich in seiner naturalis historiae dagegen erstaunt über die große Beliebtheit des Pfeffers: "Während bei anderen Gütern der süße Duft anziehend oder das Aussehen einladend wirkt, empfiehlt den Pfeffer (...) nur seine Schärfe - und deswegen fahren wir bis nach Indien!"

Mit dem Niedergang des Römischen Reichs brach der Seehandel mit Indien zusammen. Das internationale Netzwerk, das sich über Handelsniederlassungen an der ostafrikanischen Küste bis nach Indien und Malakka (Malaysia) erstreckte, lag nun fest in arabischer Hand. Von der Handelsmetropole Alexandria wurden die Gewürze nach Venedig geliefert und von dort aus nach ganz Europa weiterverkauft. Dass es Venedig gelang, den Gewürzhandel zu einem Monopol auszubauen, verhalf der Stadt schlagartig zu Reichtum. Auch die zentralasiatischen Handelsrouten ("Seidenstraße") gewannen an Bedeutung: Gewürze waren ein Grund dafür, dass sich Marco Polo um einen eigenen Karawanenbetrieb nach Asien bemühte.

Wegen seiner hohen Gewinnspanne war Pfeffer so kostbar, dass er zeitweilig sogar mit Gold aufgewogen und als Zahlungsmittel eingesetzt wurde. In Venedig kostete er das 60- bis 100-fache des Preises, der in Kalkutta bezahlt worden war, in Brügge oder London stieg sein Preis noch einmal um das Dreifache. Händler, die ihren Reichtum unter anderem dem Pfeffer zu verdanken hatten, wurden als "Pfeffersäcke" bezeichnet. Seine herausragende Bedeutung als Handelsgut büßte der Pfeffer erst ein, als ihn die Chilischoten aus Amerika aus seiner Rolle als wichtigstes scharfes Gewürz verdrängten.

Kampf um das Gewürzmonopol

1498 gelang es Vasco da Gama, eine Ladung Pfeffer aus Indien auf dem Seeweg nach Europa zu bringen. Mit gnadenloser Härte ging der portugiesische Seefahrer gegen die eigene Mannschaft sowie gegen alle vor, die sich ihm in den Weg stellten. Zum Schrecken der muslimischen Welt ließ er ein Schiff mit hunderten Mekka-Pilgern versenken und fiel danach mit seiner plündernden Mannschaft in Calicut ein. Dann segelte er nach Cochin weiter, um Pfeffer und Gewürze auf seine Schiffe zu laden. 1503 kehrte er mit zwölf Schiffen nach Lissabon zurück. Das bedeutete das Ende des arabischen und des venezianischen Monopols.

Zu den Zielen der Portugiesen gehörte es auch, auf dem Seeweg zu den vielversprechenden "Gewürzinseln" vorzustoßen. Auf der zwischen Sulawesi und Neuguinea gehörenden Inselgruppe der Molukken wuchsen nämlich Pflanzen, die es sonst nirgendwo gab: Muskatnuss und Gewürznelken. Um den Arabern das Monopol auf den Gewürzhandel zu entreißen, gingen die Portugiesen mit äußerster Brutalität vor. Sie zerstörten die Hafenstädte Mombasa und Kilwa an der ostafrikanischen Küste, führten mehrere Seekriege an der indischen Malabarküste, eroberten die Festung Malakka in Malaysia und bekämpften die Sultanate auf den südostasiatischen Inseln. Portugal wurde zur Weltmacht, indem es die meisten Regionen, die Gewürze produzierten, unter seine Kontrolle bringen konnte.

Doch auch andere europäische Mächte ließen nichts unversucht, um am interkontinentalen Gewürzhandels teilzuhaben. Ab 1512 entbrannte zwischen Briten, Spaniern, Portugiesen und Niederländern ein Krieg über die Kontrolle der Molukken, aus dem die Niederländer 1663 siegreich hervorgingen. Sie vertrieben die Portugiesen von der südostasiatischen Inselgruppe und drängten sie aus dem internationalen Gewürzgeschäft. Dabei gingen sie mit unbeschreiblicher Rücksichtslosigkeit vor. Um den hohen Verkaufspreis ihrer Ware sicherzustellen, vernichteten sie auf Dutzenden Inseln die Muskat- und Nelkenbäume, vertrieben und versklavten die einheimische Bevölkerung und verboten jeglichen Anbau und Besitz von Gewürzen außerhalb der von ihnen kontrollierten Anbaugebiete. Die brutalen Maßnahmen kosteten Zehntausenden Inselbewohner*innen das Leben. Um jeden Widerstand im Keim zu ersticken, töteten sie alle männlichen Bewohner der Banda-Inseln, die über 15 Jahre alt waren, so dass die einheimische Bevölkerung innerhalb weniger Jahre von 15.000 auf 600 schrumpfte.

Das niederländische Monopol auf den gewinnbringenden Gewürzhandel in Asien zerbrach jedoch, als es 1770 ein Franzose auf abenteuerliche Weise schaffte, Muskat- und Nelkensetzlinge aus den Gewürzinseln herauszuschmuggeln und in französischen Kolonialgebieten zu kultivieren. Bald darauf brach auch das Vanillemonopol der Spanier zusammen. Franzosen und Engländer begannen, die begehrten Gewürze in immer mehr Regionen anzubauen, in denen die Pflanzen ursprünglich nicht heimisch waren. Dies führte dies zu einem rapiden Preisverfall, und so verloren die Gewürze allmählich ihre Bedeutung im Welthandel und in der Politik der Kolonialmächte.

Gewürze als Medizin

Bereits zu Urzeiten wurden Kräuter und Gewürze als Heilmittel eingesetzt. Schon im Mittelalter wurden sie als wertvolle Medizinpflanzen angesehen und vor allem in Klostergärten angebaut. Hildegard von Bingen (1098-1179) schätzte die Heilkräfte der Gewürzpflanzen sehr. Um das "stinkende Übel im Magen" zu lindern, empfahl die Äbtissin den Verzehr von Ingwerküchlein. Ingwer hilft gegen Übelkeit, regt die Verdauung an, schützt vor Erkältungskrankheiten, senkt die Blutfettwerte und hilft sogar bei rheumatischen Erkrankungen. Eine Art Universalmittel zur Steigerung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens sah sie auch in der Muskatnuss, die sie vor allem bei Krankheiten des Verdauungssystems einsetzte. Ebenfalls in hohem Ansehen standen in der Klostermedizin die Kümmelfrüchte, deren Wirkung bei Verdauungsbeschwerden heute wissenschaftlich anerkannt ist. Hildegard von Bingen empfahl, eine Mischung aus Kümmel, Pfeffer und Bibernelle aufs Brot zu streuen, "um in den Eingeweiden die warmen und kalten Säfte, die die Übelkeit verursachen", zu unterdrücken. Den Kümmel beschrieb sie auch als Mittel zur Linderung von Erkältungskrankheiten. Eine weitere Pflanze, die die Klosterfrau sehr schätzte, ist der heute weniger bekannte Galgant. Im 12. Jahrhundert war die aus Südostasien stammende Wurzel, die mit dem Ingwer verwandt ist, als Arzneimittel so beliebt, dass ihre Fälschung ein lukratives Geschäft war. Das traditionelle Wissen geriet in der modernen Neuzeit in Vergessenheit, heute rücken die Heilkräfte der Natur jedoch wieder in den Fokus von Medizin und Wissenschaft.

In Indien werden Gewürze bereits seit Jahrtausenden als Heilmittel eingesetzt, wobei die Medizin bereits in das Essen integriert wird. Aus Sicht der ayurvedischen Lehre sind Gewürze Nahrungsmittel mit besonderen Eigenschaften, die die Verwertbarkeit und Bekömmlichkeit unserer Nahrung fördern. Richtig eingesetzt fachen sie unser Verdauungsfeuer an und sorgen dafür, dass in allen Mahlzeiten sechs Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb) enthalten sind. Gewürze werden verwendet, um Störungen vorzubeugen und zu beseitigen, die sich zu Krankheiten entwickeln könnten. Sie werden erst kurz vor der Zubereitung zerkleinert und dann in Ghee (Butterschmalz) erhitzt, damit die Geschmacksstoffe ihre volle Wirkung entfalten. Zunächst werden die "harten" Gewürze (Körner wie Pfeffer, Senfsaat, Koriander) erhitzt, danach kommen "weiche" Gewürze (getrocknete Kräuter) dazu. Durch das Fett werden Geschmacks- und Inhaltsstoffe gelöst und die positiven Wirkungen der Gewürze auf die Speisen übertragen.

Gewürze für den Massenkonsum

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden in den meisten Küchen neben Salz und Pfeffer vor allem einheimische Kräuter wie Majoran, Koriander und Kümmel verwendet, während exotische Gewürze eher zur Herstellung von Punsch oder Lebkuchen verwendet wurden. Durch die Globalisierung änderten sich auch hierzulande die Essgewohnheiten, und exotische Gewürze sind heute in jedem Supermarkt zu finden. Der gesteigerte Konsum hat eine Steigerung der Gewürzimporte aus dem Süden zur Folge. Für viele Herkunftsländer stellen Gewürze einen wichtigen Anteil ihrer Exporteinnahmen dar, selbst wenn ein Großteil in den Produktionsländern selbst verbraucht wird.

Viele Gewürze werden jedoch überwiegend für den Export produziert - Kardamom (ca. 80%), Zimt (75%) oder Pfeffer (mehr als 60%). Interessant ist auch, dass sich die Produktion der teuersten Gewürze auf nur wenige Länder konzentriert. Safran stammt zu zwei Dritteln aus dem Iran, Vanille zu mehr als 90% aus Madagaskar, Indonesien und China, Kardamom fast ausschließlich aus Indien und Guatemala. Im Einzelhandel werden Gewürze mit einem gewaltigen Aufschlag angeboten - bei Pfeffer bis zum 50-fachen des Exportpreises.

Die Exportländer stehen deshalb vor der Herausforderung, den Wertschöpfungsanteil im Inland zu steigern. Indien ist es gelungen, den Anteil verarbeiteter Produkte an den Gewürzexporten auf fast 50 Prozent zu erhöhen. Doch auch selbst wenn der Export von unverarbeiteten Gewürzen weniger gewinnbringend ist, bleibt die Gewürzproduktion für viele Kleinbauern eine wichtige Einkommensquelle. Anbau und Ernte von Gewürzen sind meist mit hoher Arbeitsintensität verbunden. Angesichts der steigenden Nachfrage stehen deshalb die Aussichten nicht schlecht, dass die Gewürzproduktion auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zum Erhalt einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft im Süden leisten wird.

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veröffentlicht in Talktogether Nr. 72/2020

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