Gespräch mit Mónica Ladinig, SOMOS Salzburg

"Alles beginnt mit einer Begegnung."
Gespräch mit Mónica Ladinig - SOMOS Salzburg
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TT: Seit wann gibt es den Verein SOMOS und wofür steht die Bezeichnung?
Mónica: Der Verein ist am Internationalen Frauentag 2006 entstanden. Ich habe damals in meiner Studienzeit mit ein paar Freundinnen eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag an der Universität Salzburg organisiert. Wir hatten das Bedürfnis, diesen Tag zu feiern, und da es in unserer Umgebung nichts gegeben hat, haben wir den damaligen Rektor gefragt, ob wir eine Veranstaltung an der Uni machen dürfen. Dieser hat unsere Idee gleich unterstützt und uns kostenlos einen Hörsaal zur Verfügung gestellt. Es hat eine Podiumsdiskussion gegeben, und danach ein internationales Buffet. Die Veranstaltung war ein Erfolg: Es waren Professorinnen und Studentinnen da, der Hörsaal war voll. Weil die Veranstaltung so gut angekommen ist, beschlossen wir, einen Verein zu gründen, etwas Geld aufzutreiben und im nächsten Jahr wieder eine Veranstaltung zu machen. Seitdem gibt es unseren Verein. Somos ist spanisch und bedeutet "wir sind", "SOMOS Salzburg" bedeutet demnach "Wir sind Salzburg". Damit wollen wir ausdrücken, dass Salzburg vielfältig ist. Wir leben alle hier und sind froh, dass wir hier leben dürfen. Wir wollen aber auch einen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.
TT: Wie viele Mitglieder hat der Verein und wer sind sie?
Mónica:
Wir haben einen Vereinsvorstand, aber es gibt keine Mitgliedsbeiträge.
Bei der Gründung hatten wir als internationale Studentinnen alle kein
Geld. Deshalb wollten wir niemanden abschrecken, indem wir
Mitgliedsbeiträge verlangen. Alle, die bei uns mitmachen wollen, sind
willkommen. Natürlich haben wir
einen E-Mail-Verteiler, mit dem wir
laufend über unsere Aktivitäten informieren. Unsere Community besteht
aus Frauen unterschiedlicher Herkunft, aber auch Österreicherinnen, die
Interesse an Internationalität und Kontakten haben, sind dabei. In
unserer Whatsapp-Gruppe sind etwa 75 Personen. Ein Projekt, das schon
seit 15 Jahren erfolgreich läuft, ist das interkulturelle
Familienfrühstück. Daraus hat sich eine Community entwickelt. Das
Familienfrühstück ist nicht nur für Frauen, die ganze Familie ist
willkommen – Vater, Mutter, Opa und Oma …
Außerdem haben wir ein internationales Frauennetzwerk. Vor Corona haben wir mit dieser Gruppe ein eigenes Frauenfrühstück organisiert – ohne Männer und ohne Kinder. Durch die Pandemie ist das in bisschen untergegangen. Doch stattdessen haben sich während dieser Zeit andere Dinge entwickelt. Einige Frauen haben sich selbständig gemacht. Diese haben vorgeschlagen, ein Netzwerk zu gründen, um sich austauschen und ihre Angebote präsentieren zu können. Diese Gruppe ist sehr aktiv und organisiert einmal im Jahr ein Netzwerkstreffen. Das letzte Treffen hat im Mai 2024 im Kapitelsaal stattgefunden. Dort haben die Frauen Produkte ausgestellt, die sie zum Verkauf anbieten, es waren aber auch Frauen da, die unterschiedliche Workshops wie Kochkurse, Tanz-Workshops oder Yoga-Kurse leiten.
TT: Welche Aufgaben habt ihr euch als Verein gestellt, und wie versucht ihr, eure Ziele zu erreichen?
Mónica: SOMOS Salzburg organisiert interkulturelle Projekte für das friedliches Zusammenleben in Salzburg. Damit wollen wir einen Raum bieten für Begegnung, Dialog und interkulturelle Bildung. Wir wollen die Vielfalt in der Stadt Salzburg sichtbar machen und zeigen, wie wir trotz unserer Unterschiedlichkeit friedlich zusammenleben können. Unsere Methoden sind Begegnung und Kennenlernen im Sinne von Martin Buber, der in seinem Buch "Ich und Du" schreibt, dass der Mensch seine Identität in der Begegnung mit anderen bildet. Alles wirkliche Leben ist somit Begegnung. Und genau das ist auch unser Motto: Alles beginnt mit einer Begegnung. Ich nehme dich wahr, wie du bist. Wenn eine Person zu uns kommt, versuchen wir, sie in ihrer Lebensrealität wahrzunehmen und zu unterstützen, sofern es uns möglich ist. Und weil wir wollen, dass unser Projekt nachhaltig ist, setzen wir auf Kontinuität. Nur wenn die Begegnung regelmäßig stattfindet, kann sich eine Vertrauensbasis entwickeln. Erst wenn wir uns kennen und einander vertrauen, kann ein Dialog auf Augenhöhe stattfinden.
TT: Welche Erfahrungen hast du durch deine Arbeit mit
SOMOS gemacht?
Mónica: Ich finde es schön, eine Gemeinschaft zu haben. Der Verein ist für mich wie eine Familie. Als ich damals von Peru nach Österreich gekommen bin, war ich allein. Jetzt habe ich eine Familie – noch dazu eine große mit verschiedenen Kulturen und Muttersprachen. Es ist schön, sich auszutauschen und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Wir sind Frauen und haben viele Probleme gemeinsam. Deshalb helfen wir uns gegenseitig, ob es beim Deutschlernen ist oder bei der Arbeitssuche.
TT: Mit welchen Problemen sind Frauen mit Migrationsgeschichte – oder besser gesagt mit Migrationskompetenz – nach deiner Erfahrung konfrontiert?
Mónica: Jede Frau, die nach Österreich kommt, bringt einen Rucksack mit. Eine große Hürde ist für die meisten die Sprache. Wir wissen ja, wie schwierig es ist, ab einem gewissen Alter eine neue Sprache zu erlernen. Dafür brauchen wir Zeit und wir brauchen Motivation. Und was ist eine gute Motivation? Wenn du einen Job hast, wenn du dich integriert fühlst, dann möchtest du dich mitteilen und kommunizieren. Du brauchst Kontakte, du brauchst Freunde und Freundinnen, mit denen du dich austauschen kannst. Ich kenne Menschen, die zwar gute Lehrer und Lehrerinnen haben, die aber isoliert sind. Die niemanden haben, um ihre Sprachkenntnisse zu verfestigen. Wohin gehst du, wenn du eine Frage hast, wenn du niemanden kennst oder niemand Zeit hat? Da sind Projekte wie unseres wichtig. Ich habe gesehen, wie sehr es den Frauen dabei geholfen hat, Freundschaften zu knüpfen. Viele haben durch unsere Veranstaltungen Sprachpartner und -partnerinnen gefunden. Einmal ist eine junge Frau zu uns gekommen, die gerade erst aus Thailand nach Österreich gekommen ist. Bei uns waren Leute, die gerne nach Thailand auf Urlaub fahren. Sofort haben sie ihre Telefonnummern ausgetauscht. Frauen, die am Anfang kein Wort Deutsch gesprochen haben, haben in der Küche und beim Aufräumen mitgeholfen, und heute sind sie wichtige Säulen des Projekts. Wir haben ihnen eine Aufgabe gegeben und die Möglichkeit, Menschen kennenzulernen und Selbstvertrauen zu gewinnen.
TT: Man kann sagen, die Isolation ist ein großes Problem?
Mónica: Du kannst dich nicht integrieren, wenn du niemanden kennst, wenn du keine Möglichkeiten hast, irgendwo mitzumachen. Deshalb sind Netzwerke wichtig. Die Frauen bei uns helfen sich gegenseitig, weil viele von ihnen selbst auch einmal die gleichen Probleme hatten. Auch wenn es darum geht, eine Arbeit zu finden, die den eigenen Kompetenzen und Interessen entspricht, hilft es, Freunde zu haben. Nachdem 2015 so viele Flüchtlinge nach Salzburg gekommen waren, sind bei unserem Frühstück einmal 15 afghanische Jugendliche aufgetaucht. Sie haben das Plakat bei der Caritas gesehen, irgendjemand hat es dort aufgehängt. Da sie allein und ohne Familie waren, haben sie Anschluss gesucht. Sie wollten mich auch kennenlernen, weil sie gehört haben, dass ich in der Hotellerie arbeite, und sie eine Lehre machen wollten. Ich habe sie willkommen geheißen, und wir haben uns ein paar Stunden lang unterhalten.
TT: Du arbeitest jetzt in der Katholischen Frauenbewegung. Möchtest du darüber etwas erzählen?
Mónica: Ja, sehr gerne. Ich bin hier seit September als Karenzvertretung beschäftigt. Meine Aufgabe ist die Regionalbetreuung der Frauengruppen in der Stadt und im Land Salzburg. Ich organisiere Aktivitäten und Treffen, wo die Frauen zusammenkommen können. Es ist für mich sehr interessant, Frauen kennenzulernen, die auf dem Land leben, und zu erfahren, welche Bedürfnisse sie haben. Ich versuche auch, eine Brücke zwischen den Generationen herzustellen. Was mir ganz besonders am Herzen liegt, ist unser Jahresprojekt – das Benefizsuppenessen, das dieses Jahr am 7. März stattfindet. Mit den Einnahmen unterstützen wir eine Frauengruppe in Kolumbien, die gegen die Zerstörung der Umwelt kämpft.
TT: Also Frauensolidarität über die Grenzen hinweg?
Mónica: Ja, Frauen in Österreich und im globalen Süden zu stärken, ist ein zentrales Anliegen der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. Heuer unterstützen wir ein Projekt der kolumbianischen Organisation SERCOLDES, die sich seit über 50 Jahren für Frauenrechte und Klimagerechtigkeit im Südwesten Kolumbiens einsetzt. Die Region ist geprägt von Gewalt und Umweltzerstörung. Dort leben viele Afro-Kolumbianer*innen und Indigene unter schwierigen Bedingungen. Trotz des Reichtums an Ressourcen leiden sie unter den schlechtesten Lebensbedingungen des ganzen Landes. Durch den Abbau von Erdöl und Gold im Amazonas-Regenwald ist die natürliche Umwelt und damit die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung in Gefahr. Doch es gibt mutige Frauen, die der Umweltzerstörung nicht tatenlos zusehen wollen, und die sich den Bulldozern entgegenstellen. So konnten sie verhindern, dass ein internationaler Erdölkonzern den Regenwald rodet und ihre Umwelt verseucht. Ich freue mich sehr, dass ich durch meine Arbeit einen Beitrag leisten kann, das Bewusstsein für globale Zusammenhänge zu fördern und solidarische Verbindungen zwischen Menschen in verschiedenen Teilen der Welt aufzubauen.
TT: Welche Bedeutung hat für dich der 8. März?
Mónica: Dieses Jahr hat der Weltfrauentag für mich eine ganz besondere Bedeutung. An diesem Tag werden wir das 100. Interkulturelle Familienfrühstück feiern! Eine Frau aus dem Vereinsvorstand hat vorgeschlagen, unser Frühstück an diesem Tag zu machen, weil unser Verein am Internationalen Frauentag entstanden ist. Ohne den Frauentag 2006 würde es den Verein SOMOS Salzburg heute nicht geben. An diesem Tag haben wir zueinandergefunden. Damals haben wir gehofft, durch unsere Veranstaltung Studentinnen motivieren zu können, zu den Themen, die auf der Podiumsdiskussion diskutiert worden sind, weiter zu forschen. Und das ist uns auch tatsächlich gelungen: Eine Frau hat mir später ein Exemplar ihrer Diplomarbeit überreicht und erzählt, dass unsere Veranstaltung sie dazu inspiriert hat. Die Arbeit handelt von den Herausforderungen, mit denen migrantische Frauen in Österreich konfrontiert sind.
Generell bedeutet der Frauentag für mich, dass wir Frauen uns vernetzen, uns solidarisieren und uns gegenseitig unterstützen. Es ist mir wichtig, dass dieser Tag nicht in Vergessenheit gerät und wir ihn gemeinsam feiern. An diesem Tag erinnern wir uns an die Frauen, die sich für unsere Rechte eingesetzt haben, und wir stärken uns gegenseitig, um gemeinsam weiterzukämpfen.
TT: Also kann man am 8. März den ganzen Tag lang feiern?
Mónica: Genau, wir fangen mit dem Frühstück an und gehen danach zur Veranstaltung im BewohnerService Lehen.
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Familienfasttag 2025: https://www.kfb-salzburg.com/aktion-familienfasttag
Kontakt: https://monicaladinig.at/
Veröffentlicht in Talktogether Nr. 91/2025